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beendete, fragte sie ganz plötzlich. »Und was war jetzt mit dieser
französische Zicke, die du kennengelernt hast?«
»Na, das ist doch eben jene Rosalie Laurent, von der ich dir
gerade erzählt habe. Die Besitzerin der Papeterie, in der ich das
Buch gefunden und den Postkartenständer umgeworfen habe. Aber
eigentlich«, überlegte er laut, »ist sie gar nicht so schrecklich.«
Eigentlich ist sie sogar ganz nett, dachte er, bevor ihm die Augen
wieder zufielen und er in einen traumlosen Schlaf hinüberglitt.
Auch wenn sie von Shakespeare keine Ahnung hat.
16
Die Frau, die von Shakespeare keine Ahnung hatte, war entgegen
ihrer Gewohnheit schon früh am Morgen aufgestanden. Es war
Montag, ihr freier Tag, und Rosalie hatte das Gefühl, ihre
Gedanken bei einem ausgedehnten Spaziergang mit William Morris
ordnen zu müssen. Sie spazierte in Richtung Place Saint-Sulpice,
ließ die Kirche mit ihren eckigen weißen Türmen links liegen und
ging weiter die Rue Bonaparte entlang, deren Geschäfte noch alle
geschlossen hatten, bis sie schließlich den Jardin du Luxembourg
erreichte.
Der Geruch eines Sommergartens schlug ihr entgegen. Blumen
und das Grün der Bäume verströmten einen zarten Duft, in den
sich der Staub der Wege und die Feuchtigkeit des Morgens mischt-
en. Zwei einsame Jogger zogen mit weit ausholenden Schritten auf
den äußeren Wegen an ihr vorbei, in ihren Ohrmuscheln steckten
kleine Kopfhörer, deren dünne weiße Kabel in den Sweatshirts ver-
schwanden. Ohne groß zu überlegen, schlug Rosalie einen der
vielen Wege ein. Die breite Allee, die sie betrat, war noch
menschenleer. Ein Sonnenstreif fiel schräg durch die flirrenden
Blätter der Bäume, überglänzte den festgetretenen, erdigen Weg,
der angenehm unter ihren Schritten knirschte und an dunkelgrün-
en Eisenbänken vorbeiführte, die zu beiden Seiten unter den Bäu-
men standen und zum Verweilen einluden.
Sie vergewisserte sich, dass sie auf der Seite des Parks entlang-
ging, wo das Ausführen von Hunden gestattet war, dann machte sie
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William Morris von der Leine los, der davonstürmte, bevor er
aufgeregt schnüffelnd an einem Baumstamm stehen blieb.
René war schon früh am Morgen in seine Wohnung gefahren. Als
er ihr vor ein paar Tagen mit glänzenden Augen von seiner Ein-
ladung zu dem Seminar von Zack Whiteman erzählte, hatte sie
nicht realisiert, dass er schon so bald nach San Diego fliegen würde.
Doch René hatte den begehrten Platz nur deswegen ergattert, weil
ein Freund aus dem Fitness-Club das Seminar hatte absagen
müssen und dadurch etwas frei geworden war. Da hieß es zugre-
ifen, oder die Gelegenheit zog vorüber. Bereits in wenigen Tagen
sollte es losgehen, und René hatte noch einiges zu tun. »Das ist ein
echter Glücksfall«, hatte er gesagt. »Whiteman ist der Fitness-
Guru.«
Rosalie hatte etwas zerstreut genickt. Um ehrlich zu sein, war sie
seit dem Abend mit Robert Sherman nicht so recht bei der Sache.
»Ist das nicht alles ziemlich sonderbar? Ich frage mich, was dahin-
tersteckt«, hatte sie gesagt, als sie ihrem Freund am nächsten Mor-
gen von dem Gespräch mit dem Amerikaner berichtete.
»Warum zerbrichst du dir den Kopf über anderer Leute Angele-
genheiten?«, hatte René gefragt. Sie saßen gerade zusammen auf
der kleinen Dachterrasse und frühstückten. »Versteh mich nicht
falsch, Rosalie, aber du hast ja schließlich nur die Bilder gemalt.
Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Marchais die Geschichte
geklaut hat  dich trifft doch überhaupt keine Schuld. Und was ge-
ht s dich an? Lass diesen verrückten Literaturprofessor die Sache
doch selbst herausfinden.«
»Erstens ist er nicht so verrückt, wie ich dachte  seine
Geschichte klingt sogar ziemlich glaubwürdig  , und zweitens ist es
ja schließlich auch ein bisschen mein Buch«, hatte Rosalie einge-
wandt. »Außerdem möchte ich nicht, dass Max Marchais in Schwi-
erigkeiten kommt.«
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»Nun, wenn alles seine Richtigkeit hat, wird dein verehrter
Kinderbuchautor schon keine Schwierigkeiten bekommen. Warum
hast du diesem Sherman nicht einfach Marchais Telefonnummer
gegeben? Ich meine, das wäre doch das Einfachste gewesen. Das
sind erwachsene Männer  sollen die doch unter sich klären, wer
wen verklagt.«
René nahm einen großen Schluck von seinem Karotten-Apfel-
Ingwer-Saft und wischte sich über den Mund. Für ihn war das Gan-
ze kein Problem.
»Na, hör mal, ich kann doch nicht einfach so die Telefonnummer
eines Autors herausgeben«, hatte Rosalie gesagt und ein wenig ver-
legen gelacht. »Außerdem  wie ich Max kenne, würde er sofort au-
flegen, wenn er hört, wer in der Leitung ist. Er war schon bei unser-
em letzten Telefonat so aufgebracht über die ganze Angelegenheit,
dass er erklärte, er hoffe, diesem unverschämten Kerl niemals
begegnen zu müssen.« Sie trank etwas von ihrem heißen Milchkaf-
fee und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein, nein. Ich halte es
für keine gute Idee, wenn die beiden Männer direkt aufeinander-
treffen. Das gibt Mord und Totschlag. Außerdem fängt die Sache
an, mich zu interessieren. Auch wenn ich sie ein wenig beunruhi-
gend finde.«
Sie sah ein Paar azurblauer Augen vor sich, die sich fragend auf
sie richteten, und wollte nicht näher darüber nachdenken, was das
eigentlich Beunruhigende an dieser ganzen rätselhaften Geschichte
war.
»Ich habe Sherman versprochen, ihm zu helfen, die Wahrheit
herauszufinden«, hatte sie gesagt und an die Hand des Amerikan-
ers gedacht, die sich für den Bruchteil einer Sekunde auf ihre Hand
gelegt hatte. »Das Beste wird sein, wenn ich Max noch einmal an-
rufe. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass er lügt, aber dennoch
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habe ich das Gefühl, dass er mir irgendetwas verschweigt. Nur
was?«
Ganz in Gedanken hatte Rosalie das riesige Wasserbassin erreicht,
das in der Mitte des Parks vor dem Schloss in der Sonne glitzerte.
Sie setzte sich auf einen der Eisenstühle und sah einem Segelboot
nach, das ein kleiner Junge mit seiner Fernsteuerung über das
Wasser gleiten ließ. Er stand auf der gegenüberliegenden Seite des
Wasserbeckens neben seinem Vater und schrie freudig auf, als das
Boot mit den weißen Segeln jetzt eine große Rechtskurve beschrieb.
Wie einfach das Leben war, wenn man ein Kind war. Und wie
konnte aus einem so einfachen Leben später eine solch kompliz- [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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