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eine einzige unkenntliche Masse. Er bahnte sich einen Weg
durch das Geröll, das den Boden bedeckte, und gelangte an
den Ort, wo einst das Zimmer der Frau gewesen war.
Nun vernahm er, durch den Lärm von der Straße hindurch, ein
Wimmern. Es war ihre Stimme.
Instinktiv schüttelte er den Staub von seinen Kleidern, wie um
sich schön zu machen, schweigend konzentrierte er sich. Das
Feuer knisterte, die Hilferufe der Verschütteten in den
benachbarten Häusern gellten an seine Ohren: Wollten sie
endlich still sein, damit er die Frau und ihren Sohn finden
konnte! Lange geschah nichts, dann, endlich, hörte er unter den
Bohlen zu seinen Füßen ein Kratzen.
Da kniete er nieder und begann wie ein Verrückter zu graben.
Dann berührte seine Hand etwas Warmes: Es war Blut.
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»Stirb nicht, bitte«, sagte er.
»Laß die Trümmer auf mir liegen«, hörte er ihre Stimme sagen.
»Ich möchte nicht, daß du mein Gesicht siehst. Geh und hilf
meinem Sohn.«
Er grub weiter, und die Stimme sagte wieder:
»Such den Leichnam meines Sohnes. Bitte tu, um was ich dich
bitte.«
Elia ließ den Kopf hängen und begann leise zu weinen.
»Ich weiß nicht, wo er verschüttet ist«, sagte er. »Bitte geh
nicht. Ich möchte so gern, daß du bei mir bleibst. Du mußt mich
lehren zu lieben, mein Herz ist bereit.«
»Bevor du gekommen bist, habe ich mir jahrelang den Tod
gewünscht. Er wird mich erhört haben und ist nun gekommen,
um mich zu holen.«
Sie seufzte. Elia biß sich auf die Lippen und sagte nichts.
Jemand berührte ihn an der Schulter.
Er wandte sich erschrocken um und sah den Jungen. Er war
mit Staub und Ruß bedeckt, doch er schien unverletzt.
»Wo ist meine Mutter?« fragte er.
»Hier bin ich, mein Sohn«, antwortete die Stimme unter den
Trümmern. »Bist du verletzt?«
Der Junge begann zu weinen. Elia nahm ihn in die Arme.
»Du weinst, mein Sohn«, sagte die Stimme, die immer
schwächer wurde. »Weine nicht. Deine Mutter hat sich schwer
damit getan, zu lernen, daß das Leben einen Sinn hat. Ich
hoffe, es ist mir gelungen, es dir beizubringen. Wie sieht die
Stadt aus, in der du geboren wurdest?«
Elia und der Junge schwiegen fest aneinandergeklammert.
»Sie sieht gut aus«, log Elia. »Einige Krieger sind gestorben,
doch die Assyrer haben sich schon zurückgezogen. Sie waren
hinter dem Stadthauptmann her, um den Tod eines ihrer
Generäle zu rächen.«
Wieder Schweigen. Und abermals, immer schwächer, die
Stimme.
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»Sag mir, daß die Stadt gerettet ist.«
Er fühlte, daß sie jeden Augenblick von ihnen gehen würde.
»Die Stadt ist unversehrt. Und deinem Sohn geht es gut.«
»Und dir?«
»Ich habe überlebt.«
Er wußte, daß er mit diesen Worten ihre Seele befreite und sie
in Frieden sterben ließ.
»Bitte meinen Sohn niederzuknien«, sagte die Frau nach einer
Weile. »Ich möchte, daß du mir im Namen Gottes, deines
Herrn, etwas schwörst.«
»Was immer du willst. Alles, was du willst.«
»Du hast mir einmal gesagt, daß der Herr allgegenwärtig ist,
und ich habe es geglaubt. Du sagtest, daß die Seelen nicht auf
den Gipfel des Fünften Berges gingen, und ich habe es dir auch
geglaubt. Aber du hast mir nicht erklärt, wohin sie gehen.
Und dies ist der Schwur: Ihr werdet nicht um mich weinen, einer
wird für den anderen sorgen, bis der Herr erlaubt, daß ein jeder
seinen eigenen Weg geht. Von nun an wird sich meine Seele
mit allem vereinen, was ich auf dieser Erde kennengelernt
habe: Ich bin das Tal, die Berge ringsum, die Stadt, die
Menschen, die durch ihre Straßen gehen. Ich bin ihre
Verwundeten und ihre Bettler, ihre Soldaten, ihre Priester, ihre
Kaufleute, ihre Aristokratie. Ich bin der Boden unter deinen
Füßen und der Brunnen, der den Durst aller stillt.
Weint nicht um mich, denn es gibt keinen Grund, traurig zu
sein. Von nun an bin ich Akbar, und die Stadt ist schön.«
Die Stille des Todes kam, der Wind hörte auf zu wehen. Elia
hörte weder die Schreie von draußen noch das in den
Nachbarhäusern prasselnde Feuer. Er hörte nur noch die fast
greifbare Stille.
Dann führte Elia den Jungen hinweg, zerriß seine Kleider und
brüllte, zum Himmel gewandt, mit der ganzen Kraft seiner
Lungen:
»Mein Herr und Gott! Deinetwegen habe ich Israel verlassen
und konnte Dir mein Blut nicht schenken wie die anderen
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Propheten, die dortgeblieben sind. Ich wurde von meinen
Freunden Feigling und von meinen Feinden Verräter genannt.
Um Deinetwillen habe ich nur gegessen, was mir der Rabe
brachte, und für Dich habe ich die Wüste bis nach Akbar
durchquert. Von Deiner Hand geleitet, habe ich eine Frau
gefunden, von Dir geführt, hat mein Herz sie lieben gelernt.
Trotzdem habe ich keinen Moment meine wahre Mission
vergessen, all die Tage, die ich hier verbrachte, war ich immer
bereit aufzubrechen.
Das schöne Akbar ist nur noch ein Trümmerhaufen, und die
Frau, die Du mir anvertraut hast, liegt unter ihm begraben. Wo
habe ich gesündigt, Herr? In welchem Augenblick habe ich
mich von dem entfernt, was Du von mir erwartetest? Wenn Du
nicht mit mir zufrieden warst, warum hast Du dann nicht mich
von dieser Welt genommen, statt zum zweiten Mal diejenigen in
Not zu stürzen, die mir geholfen und mich geliebt haben?
Ich begreife Deine Ratschlüsse nicht. Ich sehe keine
Gerechtigkeit in Deinem Handeln. Ich kann das Leiden, das Du
mir auferlegt hast, nicht ertragen. Entferne Dich aus meinem
Leben, denn auch ich bin nur noch Trümmer, Feuer und
Staub.«
Da kam mitten im Feuer und in den Trümmern das Licht. Und
der Engel des Herrn erschien.
»Was tust du hier?« fragte Elia. »Siehst du nicht, daß es zu
spät ist?«
»Ich bin gekommen, um dir abermals zu sagen, daß Gott dein
Gebet erhört hat und dir geben wird, worum du ihn
bittest. Du wirst deinen Engel nicht mehr hören, und auch ich
werde dich nicht mehr aufsuchen, bis die Tage deiner Prüfung
vorüber sind.«
Elia nahm den Jungen bei der Hand, und sie irrten ziellos durch
die Straßen, in denen sich der Rauch staute, denn der Wind
hatte sich gelegt.
»Vielleicht ist dies alles nur ein Traum«, dachte er. »Ein
einziger Alptraum.«
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»Du hast meine Mutter angelogen«, sagte der Junge. »Die
Stadt ist zerstört.«
»Na und? Wenn sie nicht sehen konnte, was um sie herum
geschah, warum sollte sie dann nicht glücklich sterben?«
»Weil sie dir vertraute und sagte, sie sei Akbar.«
Er verletzte sich den Fuß an den Glas- und Keramikscherben,
die überall auf dem Boden verstreut lagen. Der Schmerz zeigte
ihm, daß er nicht träumte, daß alles um ihn herum schreckliche
Wirklichkeit war. Es gelang ihnen, bis zu dem Platz zu kommen,
auf dem sich einstmals - vor undenklichen Zeiten - das Volk
versammelt und er geholfen hatte, Streit zu schlichten. Der
Himmel leuchtete gelb vom Feuer der Brandstätten.
»Ich will nicht, daß meine Mutter das ist, was ich sehe«,
beharrte der Junge. »Du hast sie angelogen.«
Dem Jungen gelang es, seinen Schwur zu halten. Elia sah
keine einzige Träne auf seinem Gesicht. >Was mache ich
nur?
den Schmerz zu konzentrieren. Er würde ihn von der
Verzweiflung fernhalten.
Er sah sich die Wunde an, die das Schwert des Assyrers an
seinem Körper geschlagen hatte. Sie war nicht so tief wie
vermutet. Er setzte sich mit dem Jungen an denselben Platz, an
dem er von den Feinden gefesselt und von einem Verräter
gerettet worden war. Er bemerkte, daß die Menschen jetzt nicht [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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